Bronze, 2002, 265 cm
Ein Mensch, eine Frau, aufrecht stehend, im Licht, von der Sonne beschienen. Das fällt zuerst ins Auge. Hinter der Skulptur dann ein flächiges, die menschliche Form nachbildendes Schattenbild, geknickt, zum Boden hin ausgestreckt. Es ist der Anhang der Skulptur, der ihr den Namen gibt. Der Schatten. Ein Hinweis auf die Wirkung, die der
Körper hat, wenn er im Licht steht.
Der Schatten – die Kehrseite sozusagen des Lichts. Der physikalische Vorgang lässt sich leicht beschreiben: Wo gebündeltes Licht auf einen Gegenstand, einen Menschen trifft, wirft er Schatten. Weil der Gegenstand, der Mensch, das Licht aufhält. Nur an ihm vorbei geht das Licht, nicht durch ihn hindurch. Das Licht entwirft ein Schattenbild, und im Schatten noch ist etwas vom Original zu erkennen. Licht und Schatten gehören zusammen. Das mag schmeichelhaft sein für den Schatten, eine Zumutung eher für das Licht.
Die Skulptur hält fest: Wo Licht ist, da ist auch Schatten. Zugespitzter noch: Der Mensch wirft seinen Schatten. Jeder Mensch lebt mit seinem Schatten. Der Schatten geht immer mit. Keine leichte Einsicht. Sie wird nicht immer auf meinem Lebensweg präsent sein. Zu gern sehe ich mich im Licht, ohne Schatten. Aber der Schatten ist da, ein Teil gewissermaßen von mir selbst. Der Schatten, die dunkle Seite von mir, das, was ich nicht wahrhaben will. Auch das gehört zu mir. Erst beides zusammen, mein Idealbild und mein
Schattenbild, machen meine Person aus, mein Realbild sozusagen. So schwer mir das akzeptierbar ist.
Noch eine weitere Dimension entdecke ich, wenn ich diese Skulptur betrachte: Wo das Licht schwindet, schwindet der Schatten. Ohne Sonne verliert der Schatten seine Kontur. Der Schatten und der Mensch, der Mensch und sein Schatten sind vergänglich. Das irdische Leben erlischt, mit seinen Glanz- und Schattenseiten. Vitalität und Schönheit des Lebens verblassen, immer mehr, und sie schwinden am Ende.
Und was bleibt dann? Das Licht der Sonne, für den Glauben ein altes Bild. Gott strahlt uns, seine Menschenkinder, an und ermöglicht so unser Leben. Der weite Horizont kommt in den Blick, in dem unser Leben steht. Gottes Geschichte mit uns, Gottes wärmendes, lebenspendendes Licht, das zugleich unseren Schatten sichtbar macht. Wir Menschen haben unser Leben, für eine Zeit stehen wir im Licht. Mit dem, was uns gelingt, und dem, was eben unseren Schatten ausmacht. Beides vergeht. Und beides hat seinen Halt in
Gott, der uns annimmt als die, die wir sind, mit unseren Licht- und Schattenseiten. Unser vergängliches Leben gewinnt Ewigkeitswert.
Pfarrer Dr. Werner Schwartz